Loch unter dem Zaun
Während eines Ungarn-Urlaubs flüchtete Christian Weiss als 13jähriger im Sommer 1989 mit seiner Familie über die ungarische Grenze nach Österreich. Die Flucht begann in Sopron (Ödenburg), wo die Familie eine Frau in einem Blumenladen aufsuchte, welche ihnen eine geeignete Stelle für die Flucht verriet und ihnen eine Karte überreichte, welche in der DDR schwer zu bekommen war. Am Abend wurden sie von österreichischen Freunden versteckt in das Waldstück gefahren, welches sie zu durchqueren hatten. Die komplette Familie robbte über den Waldboden, bis sie alle an eine Stelle kamen, an welcher sie über Bahngleise rennen mussten. Durch den Krach wurden Wachmänner auf sie aufmerksam. Die Familie verharrte ängstlich im Versteck bis Christian aus dem Gebüsch auf die Grenzsoldaten zuging, was die Eltern sehr verängstigt haben muss: „Irgendwann hatte ich aber, das weiß ich noch, das Gefühl, dass sie uns sowieso jetzt haben, oder gesehen haben und bin aufgestanden und hab meine Hand ausgestreckt, das weiß ich auch noch sehr genau, und bin aufgestanden und bin auf die zugegangen, wie ich denn konnte durch die Sträucher, und habe: ‚Schönen guten Abend!‘, gesagt.“ Daraufhin musste die Familie die Grenzsoldaten eine ganze Weile begleiten. Anfangs dachten sie, sie seien verhaftet. Doch dann blieben sie stehen, die Grenzsoldaten streichelten Christians kleinem Bruder über den Kopf und zeigten ihnen die Richtung, in welcher sich die Grenze befand: „Sie haben dann so ein Zeichen gemacht, wie das Victory-Zeichen, mit den zwei Zeigefingern in ihre Augen, zu uns und dann ein abwehrendes Zeichen mit der Hand. Ja, so wie: ‚Nicht gesehen, nicht gesehen.‘ Als die Familie den Zaun erreichte, mussten sie sich mit bloßen Händen unter ihm durchgraben. Christian erinnerte sich an einen der bewegensten Momente seines bisherigen Lebens: „Und wir haben tatsächlich ein Loch unter dem Zaun gegraben, unter dem dann, ich glaub, zuerst meine Mom, dann mein Bruder, dann ich drunter durchgekrochen sind, während mein Vater versucht hat, ohne sich zu verletzen, den nach oben zu ziehen, um das ein bisschen größer zu machen, dass wir uns nichts tun. Und wir standen schon auf der anderen Seite und dann hat mein Vater noch gesagt: ‚Bitte lasst mich nicht hier‘.
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